13.12.2022
Aufgabe des Kontrollbetreuers ist es, diejenigen Rechte geltend zu machen, die der Betroffene selbst aufgrund seiner vorliegenden Beeinträchtigung nicht mehr gegenüber dem Bevollmächtigten verfolgen kann. Hierzu gehört auch die Verfolgung etwaiger Schadensersatzansprüche des Betroffenen gegen den Bevollmächtigten aus schuldhafter Pflichtverletzung.
Der vom BGH entschiedene Fall betrifft eine Fehlauslegung der Befugnisse eines Kontrollbetreuers iSd § 1896 Abs. 3 BGB durch die Vorinstanzen:
I. Die 75-jährige Betroffene, die in einem Pflegeheim lebte, litt an einer schweren Alzheimer-Demenzerkrankung, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen konnte. Sie hatte ihrem Ehemann, dem Beteiligten zu 1, am 24.4.2012 eine notarielle Vorsorgevollmacht für den Bereich der Vermögenssorge erteilt, deren Wirksamkeit nicht in Zweifel steht.
In Ausübung der Vollmacht veräußerte der Ehemann ein ihm und der Betroffenen zu je zur Hälfte gehörendes Hausgrundstück. Der Sohn der Betroffenen aus erster Ehe (Beteiligter zu 2), der auch als Erbe der Betroffenen eingesetzt ist, meint, das Grundstück habe einen Verkehrswert von 600.000 bis 700.000 € gehabt, sei jedoch bewusst weit unter Wert für einen Kaufpreis von 250.000 € an Personen veräußert worden, welche die Betroffene, als sie noch einen freien Willen hatte, kategorisch gemieden und enterbt habe. Der Beteiligte zu 1 habe hierdurch das Vermögen der Betroffenen bewusst geschädigt.
Das AG hat die Einrichtung der vom Beteiligten zu 2 angeregten (Kontroll-)Betreuung abgelehnt und das Verfahren eingestellt. Das LG hat die Beschwerde des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen; hiergegen richtete sich seine Rechtsbeschwerde zum BGH.
II. Die Rechtsbeschwerde war nach Auffassung des BGH begründet.
1. Das LG hatte zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung lägen nicht vor. Notwendig sei ein konkreter, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerter Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan werde. Das sei nicht der Fall, da keine Heimkosten rückständig seien, so dass ersichtlich sei, dass der Beteiligte zu 1 seinen Verpflichtungen als Bevollmächtigter im Bereich der Vermögenssorge ausreichend nachkomme. Einer Ermittlung dahin, ob der Beteiligte zu 1 den gemeinsamen Grundbesitz unter Wert verkauft habe, bedürfe es nicht, weil eine Kontrollbetreuung keine Strafmaßnahme für vergangenes Fehlverhalten sei, sondern nur bei einem Bedürfnis angeordnet werden dürfe, das dann bestehe, wenn der Betreuungsbedarf durch die Vorsorgevollmacht nicht hinreichend erfüllt werde. Sollte der Beteiligte zu 2 (der Sohn der Betroffenen aus erster Ehe) der Ansicht sein, dass er durch das Handeln des Beteiligten zu 1 in seinen Rechten verletzt worden sei, müsse er dies auf gerichtlichem Wege gegen den Beteiligten zu 1 selbst geltend machen.
2. Dies hielt lt. BGH einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Ablehnung der Einrichtung einer Kontrollbetreuung durch das Landgericht beruhe auf keinen tragfähigen Erwägungen.
Gem. § 1896 Abs. 3 BGB kann als Aufgabenkreis einer Betreuung auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestimmt werden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts erschöpfe sich der Gegenstand der sogenannten Kontrollbetreuung lt BGH nicht darin, über die laufenden Geschäfte des Bevollmächtigten Auskunft zu verlangen, Weisungen zu erteilen und Rechenschaft einzufordern. Aufgabe des Kontrollbetreuers sei es vielmehr, im umfassenden Sinne diejenigen Rechte geltend zu machen, die der Betroffene selbst aufgrund seiner vorliegenden Beeinträchtigung nicht mehr gegenüber dem Bevollmächtigten verfolgen kann (vgl. Staudinger/Bienwald BGB [2017] § 1896 Rn. 327). Hierzu gehöre es auch, etwaige Schadensersatzansprüche des Betroffenen gegen den Bevollmächtigten aus einer schuldhaften Pflichtverletzung geltend zu machen (BeckOGK/Schmidt-Recla [Stand: 1.2.2022] BGB § 1896 Rn. 289; Jürgens Betreuungsrecht 6. Aufl. § 1896 BGB Rn. 37).
Das habe das LG verkannt, indem es einen demgegenüber eingeschränkten Anwendungsbereich der Kontrollbetreuung angenommen hat und deswegen der vom Beteiligten zu 2 behaupteten Pflichtverletzung des Beteiligten zu 1 nicht nachgegangen ist.
Der angefochtene Beschluss wurde daher aufgehoben und an das LG zurückverwiesen.
Bei seiner erneuten Befassung werde - so der BGH - das LG zu prüfen haben, ob sich hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich aus einer schuldhaften Pflichtverletzung des bevollmächtigten Ehemannes nach dem im Innenverhältnis bestehenden Sorgfaltsmaßstab Ansprüche der Betroffenen gegen ihn ergeben können, die ein Kontrollbetreuer ausermitteln und verfolgen kann. Erforderlich sei dafür eine gewisse Wahrscheinlichkeit von Ansprüchen und Rechten gegenüber dem Bevollmächtigten, die der Betroffene selbst nicht mehr geltend machen kann (Staudinger/Bienwald BGB [2017] § 1896 Rn. 321).
BGH Beschluss v. 12.10.2022 – XII ZB 273/22