Update #43: Reduzierte Netzentgelte auch bei Gasmangel-bedingtem Unterschreiten der 7.000 Vollbenutzungsstunden

Wen betrifft es? Energieintensive Industrie (2.8.2022)

Die energieintensive Industrie trägt bei Bandlastkunden in erheblichem Maße zur Stabilität der Stromnetze bei und erhält daher als Ausgleich deutlich reduzierte Netzentgelte. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein bestimmtes Lastprofil - jährlicher Stromverbrauch von mehr als 10 GWh und mindestens 7.000 Vollbenutzungsstunden (Praxishandbuch Teil 2.3. Rn. 258 ff.).

Insbesondere die Einhaltung der 7.000 Vollbenutzungsstundenregel, aber auch die 10 GWh-Regel könnten im Falle eines Gasmangels gefährdet sein mit der Folge, dass der Anspruch auf diese reduzierten Netzentgelte entfiele, was wiederum zu einer zusätzlichen Belastung der durch die Gaskrise ohnehin schon gebeutelten Industrie führen würde.

Um dies zu vermeiden, wurde das Energiewirtschaftsgesetz geändert. Im neuen § 118 Abs. 46 EnWG findet sich jetzt eine Festlegungskompetenz für die Bundesnetzagentur. Damit kann die Behörde bei Unternehmen, deren Produktion sich aufgrund der erheblich verminderten Gasmengen im Jahr 2022 verringert hat und eine wirksame angezeigte Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt vorliegt, anordnen, dass die reduzierten Netzentgelte auch dann Anwendung finden, wenn das entsprechende Lastprofil zwar nicht im Jahr 2022, aber im Jahr 2021 erreicht worden ist. Voraussetzung hierfür ist aber die Ausrufung mindestens der Alarmstufe des Gas-Notfallplans

Der Gesetzgeber begründet diese erneute Ausnahmeregelung wie folgt:

Hintergrund ist die Berechnungsmethodik der Jahresbenutzungsstunden im Zusammenhang mit individuellen Netzentgelten nach § 19 Absatz 2 Satz 2 und 3 StromNEV, wonach sich die Benutzungsstunden als Quotient aus der Jahresleistungsspitze und dem Jahresverbrauch ergibt. Würde unterjährig im Zusammenhang mit erheblich reduzierten Gesamtimportmengen nach Deutschland die Produktion atypisch reduziert werden, sänke bei einem Betroffenen unterjährig auch der Jahresverbrauch an Elektrizität, ohne dass dies noch Einfluss auf eine im Kalenderjahr bereits erreichte Spitzenlast haben kann. Dadurch würden rechnerisch atypisch auch die Jahresbenutzungsstunden sinken, ohne dass sich nachhaltig die grundsätzliche Struktur des Strombezugs geändert hat. Die Bemessung der Höhe der Netzentgelte nach den Grundsätzen einer Berechnung aufgrund des physikalischen Pfades bleibt unberührt. Die Neuregelung adressiert also vorsorglich die Situation, dass mit einem reduzierten Gasbezug im Zusammenhang mit erheblich reduzierten Gesamtimportmengen nach Deutschland unter Umständen auch ein verringerter Stromverbrauch einhergehen könnte. Daher soll auch für diesen Sachverhalt eine Übergangsregelung für das Kalenderjahr 2022 aufgenommen werden.

Bisher gibt es allerdings nur die angeführte Ermächtigungsgrundlage in § 118 Abs. 46 EnWG und noch keine entsprechende Festlegung der Bundesnetzagentur dazu.


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite