Update #14: Green Deal nimmt weiter Konturen an

Wen betrifft es? Übergreifendes Thema

Das Klimaschutzrecht wird immer mehr von Regelungen der EU überformt, spätestens seit dem Green Deal (vgl. Praxishandbuch Teil 1.3, Rn. 59 ff.). Letzterer hat am 14. Juli 2021 mit dem „Fit for 55“ Paket konkrete Formen angenommen. Damit soll bis zum Jahr 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 % gegenüber 1990 erreicht werden und die EU schließlich bis 2050 treibhausgasneutral sein.

Für das 55 % Ziel bis 2030 sollen bis Ende 2022 insgesamt 54 Rechtsakte der EU überarbeitet werden. Das Fit for 55 Paket ist ein Teil davon und umfasst vier neue Rechtsakte sowie eine Verschärfung von acht bestehenden Rechtsakten.

Ein wichtiger Pfeiler ist dabei die weitere Verschärfung des EU Emissionshandels ETS. Dieser soll jetzt bis 2030 die CO2 Emissionen um 61 % gegenüber 2005 senken.  Um dies zu erreichen, soll der lineare Reduktionsfaktor, also die Menge jährlich automatisch gelöschter Zertifikate (vgl. Praxishandbuch, Teil 1.3., Rn. 67) von derzeit 2,2 % auf 4,2 % steigen. Außerdem soll es ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen ETS-Richtlinie eine einmalige Reduktion der Zertifikate geben mit der erreicht werden soll, dass nur noch so viele Zertifikate auf dem Markt sind, als wäre der neue lineare Reduktionsfaktor von 4,2 % bereits 2021 angewandt worden. Im Rahmen der kostenlosen Zuteilung soll die Senkungsrate für die Benchmarks (Praxishandbuch Teil 2.3, Rn. 13) von derzeit 1,6 % auf 2,5 % erhöht werden und spätestens 2036 ganz Schluss mit der kostenfreien Zuteilung sein.

Dem Vorbild des deutschen BEHG folgend (Praxishandbuch Teil 2.2, Rn. 142 ff.) soll neben dem ETS ab 2026 ein zweites Emissionshandelssystem für die Verbrennung von Heiz- und Kraftstoffen in den Sektoren Gebäude und Verkehr geschaffen werden. Damit soll bis 2030 eine Emissionsminderung von insgesamt 43 % im Vergleich zu 2005 erreicht werden.

Nationale verbindliche Einsparziele soll es trotzdem auch weiterhin geben, und zwar für Wirtschaftssektoren, die nicht vom Emissionshandel erfasst werden. Dabei soll der Gebäude- und Verkehrssektor trotz der Schaffung des neuen Emissionshandelssystems in der sog. Lastenteilung verbleiben. Im Vergleich zu 2005 soll die Reduktion 40 % bis 2030 betragen und sich nach wie vor am Bruttoinlandsprodukt der Mitgliedstaaten orientieren. Für Deutschland bedeutet das eine Erhöhung der Reduzierungspflicht von 38 auf 50 %.

Da die Bürger, Länder und Regionen Europas durch den CO2-Preis unterschiedlich stark belastet werden, sollen diese Unterschiede mithilfe eines Sozialfonds ausgeglichen werden, der sich aus 20 %  der Einnahmen aus dem neuen Emissionshandel speisen soll. Verwendet werden sollen die Mittel zur Unterstützung von ärmeren Haushalten, für die Renovierung von Gebäuden, die Installation von emissionsfreien Heizsystemen und für die Nutzung klimafreundlicher Transportmittel. Außerdem sollen die steigenden Kraftstoffpreise ausgeglichen werden. Der Rest von 80 % der Einnahmen aus dem neuen Emissionshandel soll den Mitgliedstaaten zustehen, wobei die EU Kommission empfiehlt, die Hälfte des Geldes für die Dekarbonisierung auszugeben und mit der anderen Hälfte niedrigverdienende Haushalte zu unterstützen. Allerdings sind Empfehlungen der Kommission nicht rechtsverbindlich (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 58). 50 Millionen Zertifikate schließlich sollen in den Innovationsfonds der EU fließen, um gezielt Geld in die Dekarbonisierung von Gebäuden oder den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu investieren.

Verschärft werden sollen die Flottengrenzwerte der Autohersteller (Praxishandbuch Teil 1.2., Rn. 135 ff.), und zwar in der Weise, dass bis 2030 der CO2 Ausstoß bei Neuwagen im Vergleich zu heute um 55 % reduziert werden soll.  Bis 2035 soll der Ausstoß sogar auf Null sinken, was letztlich ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren bedeutet (zur Zulässigkeit des Verbots von Verbrennern auf nationaler Ebene Praxishandbuch, Teil 2.5., Rn. 94 ff.)

Auch die Wasserstoff- und Ladeinfrastruktur für alternative Kraftstoffe soll ausgebaut werden. So sollen an Schnellstraßen bis 2025 alle 60 Kilometer Ladestationen stehen und alle 150 Kilometer Wasserstoff-Tankstellen. Die Beimischungsquoten für klimaneutral hergestellte Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe sollen auf einen Anteil von bis zu 38 % steigen. Schiffe schließlich, die in EU-Häfen anlegen, sollen dazu verpflichtet werden, klimafreundlichere Treibstoffe zu verwenden

Da die europäischen Unternehmen durch die ambitionierte Klimaschutzpolitik in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sein können, soll ab 2026 ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism – CBAM) eingeführt werden, und zwar für Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern, die Zement, Düngemittel und Strom oder Produkte aus Eisen, Stahl und Aluminium in die EU importieren. Dabei soll für jede Tonne Kohlendioxid ein Klima-Zertifikat erworben werden müssen, dessen Preis sich am europäischen Emissionshandel orientiert. Dies soll für alle Drittstaaten bis auf Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz gelten. Umgekehrt sollen EU Unternehmen beim Export in Drittstaaten eine Entlastung bekommen. Ob ein solcher CBAM mit den Regeln des Welthandelsrechts vereinbar ist, sollte aber noch genau abgeklärt werden (vgl. hierzu Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 51 ff.). Klar ist jedenfalls, dass dann die EU keine CO2-Zertifikate in ihrem ETS für ihre eigenen Unternehmen kostenlos zuteilen dürfte, da dies dann gegen WTO-Recht verstoßen würde.

Auch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 108 ff.) soll novelliert werden und der Ökostromanteil von derzeit 19 % auf 40 % steigen. Diese Zielvorgabe  ist jedoch unverbindlich und gilt nicht für die einzelnen Staaten, sondern für Europa insgesamt. Allerdings können Staaten, die einen Ökostromanteil von über 40 Prozent erreichen, sich dies von anderen Staaten, die unter der 40 % Schwelle liegen, bezahlen lassen. Außerdem sollen bei Verwendung von Biomasse die EU-Nachhaltigkeitskriterien weiter verschärft werden, um ausschließen zu können, dass hierfür Urwälder oder sonstige CO2 Senken oder ökologisch wertvolle Gebiete zerstört werden.

Auch die Energiesteuerrichtlinie (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 182 ff.) soll novelliert werden, was allerdings wegen des Einstimmigkeitserfordernisses schwierig werden dürfte. Beabsichtigt ist jedenfalls, fossile Energieträger ab 2023 höher und grünen Strom sowie strombasierte Kraftstoffe geringer zu besteuern. Ganz generell sollen sich die Steuersätze an ihrer Klimafreundlichkeit und Umweltleistung orientieren. Für die Luftfahrt sollen innereuropäische Flüge höher besteuert werden und irgendwann auch die Steuerbefreiung für Kerosin komplett aufgehoben werden (zur Möglichkeit einer Aufhebung der Kerosinsteuerbefreiung auf nationaler Ebene Praxishandbuch Teil 2.5, Rn. 411 ff.)

Auch die Energieeffizienz-Richtlinie (Praxishandbuch Teil 1.2, Rn. 152) soll weiterentwickelt werden und den Mitgliedstaaten verbindliche jährliche Ziele für die Einsparung von Energie vorgeschrieben werden. Außerdem soll künftig Energieeinsparung als „eigenständige Energiequelle“ mit hoher Priorität („Energy Efficiency first“) behandelt werden.

Im Bereich der Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft soll mit der LULUCF-Verordnung (Land Use, Land-Use Change and Forestry) geregelt werden, dass bis 2030 europaweit 310 Millionen Tonnen CO2 mithilfe von natürlichen Senken abgebaut werden. Dabei sollen den Mitgliedstaaten für die Jahre 2026 bis 2030 verbindliche Ziele für den Netto-CO2-Abbau bei ihrer Landnutzung und Forstwirtschaft vorgeschrieben werden.


Verlag C.F. Müller

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