EuGH-Urteil vom 10. September 2020 zur zollwertrechtlichen Behandlung von Softwarebeistellungen

5.10.2020

Mit Urteil vom 10. September 2020 C-509/19 – BMW – hat der EuGH entschieden, dass Art. 71 Abs. 1 Buchst. b UZK dahin auszulegen ist, dass er es erlaubt, bei der Ermittlung des Zollwerts einer eingeführten Ware ihrem Transaktionswert den wirtschaftlichen Wert einer Software hinzuzurechnen, die in der Europäischen Union erarbeitet und dem in einem Drittstaat ansässigen Verkäufer unentgeltlich vom Käufer zur Verfügung gestellt wird.
Im vorliegenden Fall hatte BMW eine Software in der Union entwickelt und einem drittländischen Hersteller von Steuergeräten zum Aufspielen auf die Geräte unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Fraglich war, ob die Software als immaterielle Beistellung unter Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv UZK zu subsumieren ist mit der Folge, dass deren Wert - da in der Union erarbeitet - nicht in den Zollwert der eingeführten Steuergeräte einzubeziehen ist oder ob die Software - da nicht zur Herstellung der Steuergeräte, sondern zu deren Funktion notwendig, als immaterieller Bestandteil der eingeführten Steuergeräte im Sinne des Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i UZK anzusehen und der Wert der Software daher in die Zollwerte einzurechnen ist.
Der EuGH entschied, dass sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 71 Abs. 1 Buchst. b UZK, der ausdrücklich auf „Gegenstände“ oder auf „Leistungen“ verweist, ergibt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht auf materielle Güter beschränkt ist. Er kommt zu der Entscheidung, dass immaterielle Güter sowohl unter Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i UZK als auch unter Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv UZK fallen können. Eine gegenteilige Auslegung - wie von der Klägerin vertreten - liefe nicht nur darauf hinaus, etwaige Berichtigungen des Zollwerts allein auf den in Ziff. iv der Bestimmung genannten Fall zu beschränken, wenn es um die Hinzurechnung des Wertes einer Leistung geht, sondern auch darauf, dass nur Leistungen erfasst würden, die zum einen zu „Techniken, Entwicklungen, Entwürfen, Plänen und Skizzen“ gehören und zum anderen „für die Herstellung der eingeführten Waren [notwendig]“ sind. Unter Hinweis auf die Schlussfolgerung Nr. 26 im Kompendium der Zollwerttexte stimmt der EuGH im Ergebnis der Zollverwaltung zu, dass die Software als Funktionssoftware im vorliegenden Fall unter Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i UZK fällt.
Des Weiteren kommt der EuGH zu dem Schluss, dass die Vertragsbedingungen bei der Frage, ob eine Beistellung zur Herstellung der Ware notwendig ist - im vorliegenden Fall waren die Funktionstest, zu denen die Software notwendig war, vertraglich zwischen BMW und dem Hersteller vereinbart - für die zollwertrechtliche Entscheidung nicht ausschlaggebend sein können. Einer solchen Auslegung ist nach Ansicht des EuGH nicht zu folgen, da immaterielle Güter auch unter Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i UZK fallen können.
Das Urteil wird mit einer ausführlichen Anmerkung von Stefan Vonderbank im Werk EU-Zollrecht/Zollwert in Fach 7100 aufgenommen.

SV
 


Verlag C.F. Müller

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